Dadaistisch-dialogischer Urknall von Wolfgang Nestler
Der Wind mit dem roten Haar
Videomitschnitt der Dada-Aktion vom 23. April 2022
Wie ein Raum zu einem Tanz der Dinge wird
Die Galerie Dada in Zürich wurde 1917 zum Zentrum der neuen Kunstbewegung Dada. Es fanden Ausstellungen und Soireen statt – mit Rezitationen, Aufführungen, Tanz und avantgardistischen Klängen. Angesichts der „Schlächtereien des Weltkrieges” (Hans Arp) sollten die Werte der bürgerlichen Gesellschaft enttarnt und nationales Streben überwunden werden. Auch Sophie Taeuber, nach ihrer Heirat mit Hans Arp Sophie Taeuber-Arp, trat 1917 in der Galerie Dada als Ausdruckstänzerin auf. Die Schweizer Malerin und Bildhauerin, die elementare Formen wie Kreis und Rechteck mit choreographischer Klarheit und Feinfühligkeit kombinierte, gilt als Pionierin der Konkreten Kunst. Ihr hat der zweifache Documenta-Teilnehmer Wolfgang Nestler seine Dada-Aktion „Der Wind mit dem roten Haar“ gewidmet, die am 23. April 2022 in seiner Installation „Wolfgang Sophie – Hommage à Sophie Taeuber-Arp“ im Kunstraum Krüger | Berlin realisiert wurde. Um ein Zeichen zu setzen für eine friedliche Ausrichtung der Welt und um den performativen Ansatz in Sophie Taeuber-Arps Werk neu zu beleben.
In seinem „dadaistisch-dialogischen Urknall“ ließ Nestler Texte von Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Jandl und Johannes Kühn in Dialog treten mit Bass-, Saxophon- und Schreibmaschinen-Klängen und einem Bewegungsspiel in eigens für die Aktion geschneiderten Kunstkostümen. Auf einem blau-gewinkelten Laufsteg umkreisten sich die schwarze Weisheit, der Wind mit dem roten Haar und stierspitzen Hörnern, der die Weisheit immer wieder attackierte, und eine Tänzerin im Hopi-Kostüm. Mit dieser Figur zog Nestler eine Verbindung zu den Kostümen, die Sophie Taeuber-Arp in den 1920ern für sich und ihre Schwester nach dem Vorbild zweier Geisterfiguren der Hopi geschneidert hatte. Im Verlauf der Dada-Aktion im Kunstraum Krüger, die auch den Straßenraum einbezog, zeichnete Nestler Quadrate, Kreise und Kreuze auf Papier-Karten, die er abstempelte und ins Publikum weitergab. Sein Großvater war im Ersten Weltkrieg Regimentsschreiber.
Die tiefen Grundtöne und Klanglinien der Dada-Aktion legte Ton Steine Scherben-Bassist Kai Sichtermann. Und Conny Ottinger schuf mit Sopranino und Bass-Saxophon sowohl Leuchtklang als auch Klanggebrüll, erschütterte mit Tonschlägen die Schwingungsmembran der Seele. Mit Klarheit, Kraft und räumlich-rhythmischer Intensität ließ Schauspieler Michael Gerlinger die Texte von Arp, Ball, Jandl und Kühn lebendig werden, interagierte mit dem Publikum, brachte mit Sprachmusik und szenischer Aktion den roten Energiefaden des Abends zum Glühen. Beschwor und klagte. Dazwischen immer wieder Explosionen, Brüche. Mit Nadeln brachte der Wind mit dem roten Haar Bauchballons unter dem Kostüm zum Platzen. Spannung und Entspannung, Aufeinanderreagieren und Isolation. Alles drehte sich, war in Bewegung. Und die fröhlich-walzende Einladung zum Krieg, mit der die Aufführung endete, wurde zum Totentanz.
Entstanden war ein Gesamtkunstwerk, in dem Wolfgang Nestler alle Bildbauteile seiner Installation „Wolfgang Sophie – Hommage à Sophie Taeuber-Arp“ zusammengeführt hat. „Die Welt der Maß- und Formentscheidungen im plastisch-architektonischen Gefüge“, die man in der Installation betrat, hat Nestler während seiner Dada-Aktion zu einem „Tanz der geistigen und realen Gegenstände“ werden lassen. Zu einem Tanz, „mit dem der Betrachter zu einer Einheit verschmilzt“ (Nestler).
Regina Thelen
Videomitschnitt der Dada-Aktion vom 23. April 2022
Wie ein Raum zu einem Tanz der Dinge wird
Die Galerie Dada in Zürich wurde 1917 zum Zentrum der neuen Kunstbewegung Dada. Es fanden Ausstellungen und Soireen statt – mit Rezitationen, Aufführungen, Tanz und avantgardistischen Klängen. Angesichts der „Schlächtereien des Weltkrieges” (Hans Arp) sollten die Werte der bürgerlichen Gesellschaft enttarnt und nationales Streben überwunden werden. Auch Sophie Taeuber, nach ihrer Heirat mit Hans Arp Sophie Taeuber-Arp, trat 1917 in der Galerie Dada als Ausdruckstänzerin auf. Die Schweizer Malerin und Bildhauerin, die elementare Formen wie Kreis und Rechteck mit choreographischer Klarheit und Feinfühligkeit kombinierte, gilt als Pionierin der Konkreten Kunst. Ihr hat der zweifache Documenta-Teilnehmer Wolfgang Nestler seine Dada-Aktion „Der Wind mit dem roten Haar“ gewidmet, die am 23. April 2022 in seiner Installation „Wolfgang Sophie – Hommage à Sophie Taeuber-Arp“ im Kunstraum Krüger | Berlin realisiert wurde. Um ein Zeichen zu setzen für eine friedliche Ausrichtung der Welt und um den performativen Ansatz in Sophie Taeuber-Arps Werk neu zu beleben.
In seinem „dadaistisch-dialogischen Urknall“ ließ Nestler Texte von Hans Arp, Hugo Ball, Ernst Jandl und Johannes Kühn in Dialog treten mit Bass-, Saxophon- und Schreibmaschinen-Klängen und einem Bewegungsspiel in eigens für die Aktion geschneiderten Kunstkostümen. Auf einem blau-gewinkelten Laufsteg umkreisten sich die schwarze Weisheit, der Wind mit dem roten Haar und stierspitzen Hörnern, der die Weisheit immer wieder attackierte, und eine Tänzerin im Hopi-Kostüm. Mit dieser Figur zog Nestler eine Verbindung zu den Kostümen, die Sophie Taeuber-Arp in den 1920ern für sich und ihre Schwester nach dem Vorbild zweier Geisterfiguren der Hopi geschneidert hatte. Im Verlauf der Dada-Aktion im Kunstraum Krüger, die auch den Straßenraum einbezog, zeichnete Nestler Quadrate, Kreise und Kreuze auf Papier-Karten, die er abstempelte und ins Publikum weitergab. Sein Großvater war im Ersten Weltkrieg Regimentsschreiber.
Die tiefen Grundtöne und Klanglinien der Dada-Aktion legte Ton Steine Scherben-Bassist Kai Sichtermann. Und Conny Ottinger schuf mit Sopranino und Bass-Saxophon sowohl Leuchtklang als auch Klanggebrüll, erschütterte mit Tonschlägen die Schwingungsmembran der Seele. Mit Klarheit, Kraft und räumlich-rhythmischer Intensität ließ Schauspieler Michael Gerlinger die Texte von Arp, Ball, Jandl und Kühn lebendig werden, interagierte mit dem Publikum, brachte mit Sprachmusik und szenischer Aktion den roten Energiefaden des Abends zum Glühen. Beschwor und klagte. Dazwischen immer wieder Explosionen, Brüche. Mit Nadeln brachte der Wind mit dem roten Haar Bauchballons unter dem Kostüm zum Platzen. Spannung und Entspannung, Aufeinanderreagieren und Isolation. Alles drehte sich, war in Bewegung. Und die fröhlich-walzende Einladung zum Krieg, mit der die Aufführung endete, wurde zum Totentanz.
Entstanden war ein Gesamtkunstwerk, in dem Wolfgang Nestler alle Bildbauteile seiner Installation „Wolfgang Sophie – Hommage à Sophie Taeuber-Arp“ zusammengeführt hat. „Die Welt der Maß- und Formentscheidungen im plastisch-architektonischen Gefüge“, die man in der Installation betrat, hat Nestler während seiner Dada-Aktion zu einem „Tanz der geistigen und realen Gegenstände“ werden lassen. Zu einem Tanz, „mit dem der Betrachter zu einer Einheit verschmilzt“ (Nestler).
Regina Thelen
Kommentar
… und der Verwaltungshengst verteilt unablässig im Hintergrund seine Meinungen, seine Gesetze, seine Order, seine geistige Leere, während die Welt, kopflos und eigen-sinnig ihre Walzer produziert… Dada in Urform zur zuspäten Zeit… “Jeu sui Brigitte qu’amas l’aura E chatz le lebre ab lo bou E nadi contra suberna!” (I am Brigitte who loves the wind, who chases hare and runs with bull, and swims against the current)…
Akteure und Akteurinnen
Michael Gerlinger, Schauspieler
Kai Sichtermann, Bassist von Ton Steine Scherben
Conny Ottinger, Saxophonistin
Sema Binia, Dada-Historikerin (als Weisheit)
Lujain Mustafa, Tänzerin (im Hopi-Kostüm)
Steffen Krüger, Kreisarbeiter
Christel Blömeke, Aktionskünstlerin (als Wind mit dem roten Haar)
Wolfgang Nestler als Administrator (Konzept, Regie)
Weitere Mitwirkende waren Sofia Vinnichenko (Fotos) und Solveig Thelen. Die Kunstkostüme für die Dada-Aktion hatte Hasti Danesh entworfen und geschneidert.
Fotos: Sofia Vinnichenko
Videostills: Christel Blömeke
Videomitschnitt der Dada-Aktion vom 23. April 2022
Akteure und Akteurinnen
Michael Gerlinger, Schauspieler
Kai Sichtermann, Bassist von Ton Steine Scherben
Conny Ottinger, Saxophonistin
Sema Binia, Dada-Historikerin (als Weisheit)
Lujain Mustafa, Tänzerin (im Hopi-Kostüm)
Steffen Krüger, Kreisarbeiter
Christel Blömeke, Aktionskünstlerin (als Wind mit dem roten Haar)
Wolfgang Nestler als Administrator (Konzept, Regie)
Weitere Mitwirkende waren Sofia Vinnichenko (Fotos) und Solveig Thelen. Die Kunstkostüme für die Dada-Aktion hatte Hasti Danesh entworfen und geschneidert.
Fotos: Sofia Vinnichenko
Videostills: Christel Blömeke
Videomitschnitt der Dada-Aktion vom 23. April 2022
Kunstraum Krüger
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